Kleines Getier aus urzeitlichen Gewässern

  • Ermingen, ein zu Ulm eingemeindetes Dorf, hat ein berühmtes "Dokument der Erdgeschichte" zu bieten: Die Turitellenplatte.
    Sie liegt unter einem mit Zäunen abgesperrten Stück Waldboden. Wer den Wegweisern gefolgt ist, sieht zunächst nur ein Halbrund
    von Informationstafeln, von denen einige an die Torwand aus der Sportschau erinnern.





    Die niedrigen Steine, die man durch die Gucklöcher sieht, wirken auf den ersten Blick nicht sehr interessant: ein bißchen bemoost,
    ein bißchen löchrig ... Erst bei näherem Hinschauen erkennt man die eingebackenen Häuschen der Meeresschnecke Turritella turris.






    Da man mit der Kamera nicht näher dran kommt, hier noch ein 3 cm langes Exemplar, das ich anderswo fotografiert habe, nämlich
    auf dem „Geologischen Lehrpfad” bei Heldenfingen, an dem auch ein Brocken von der Erminger Turritellenplatte ausgestellt ist.




    Wo hier Meeresmuscheln herkommen, zeigt eine Tafel, auf der auch das erwähnte Heldenfingen eingezeichnet ist. Das Molassemeer
    wird hier genauer erklärt.




    An dem Steinklotz im Dorf Heldenfingen, etwa 30 Kilometer von Ulm entfernt, war ich früher schon gleichgültig vorbeigefahren. Zu Unrecht,
    denn auch dieser Klotz - das Heldenfinger Kliff - ist ein geologisches „Highlight”.




    So sieht es aus der Nähe aus: Loch an Loch ...





    ... hineingefressen von Bohrmuscheln, Meeresbewohnern, die sich in den Fels eingegraben hatten. Hier wird das genauer beschrieben:
    „Bohrmuscheln bohren sich schon in ihrer Jugend in das Gestein und vergrößern mit dem Wachstum ihre Felshöhle gleich einem selbst
    gewählten Gefängnis, das sie nie mehr verlassen können. Die Bohrung erfolgt aber nicht etwa mechanisch mit der Schale oder einer Raspel,
    sondern chemisch, mit Hilfe eines ätzenden, Kalk lösenden Stoffes, indem sich die Muschel fortgesetzt mit ihrem Fuss, der aus der Schale
    herausgestreckt wird, dreht. So entstehen glatte, fast zylindrische Räume von Fingerlänge, die sich nach oben und unten verjüngen.”


    Ein paar Löcher aus der Nähe:





    Und nochmal Wasserschnecken, diesmal aber aus dem Süßwasser. Etwa 40 Kilometer nördlich von Ulm liegt das Steinheimer Becken,
    der Einschlagkrater eines Meteoriten. In dem Krater hatte sich vor 14,3 bis 13,5 Millionen Jahren ein See von mehr als 3 Kilometern
    Durchmesser gebildet. Darin lebten die winzigen Schnecken, über die im Jahre 1711 ...



    Von den Gruben, aus denen jahrhundertelang der „Steinheimer Schneckensand” gefördert wurde, ist nur noch eine erhalten. Sie wurde
    1975 stillgelegt, ist heute abgesperrt und wird nur noch Wissenschaftlern zugänglich gemacht. Ein ganz kleiner Teil aber ist für jedermann
    offen. Und diese Grube erschöpft sich tatsächlich nicht: Obwohl die winzigen Schneckenhäuschen von Sammlern gesucht, ja herausgesiebt
    werden, sieht der „Schneckensand” immer noch so aus wie hier (das große Schneckenhaus links mißt 3 mm im Durchmesser):




    Und hier ist ein Riese unter den Winzlingen ...




    ... und ein aus mehreren Häusern zusammengebackener Stein.


  • hallo Waltraud,


    ich wußte, daß die Kalksteine dieser Region der ehemalige Meeresboden sind. Die Tatsache, daß hier jedoch Millionen Jahre alte Schneckengehäuse rumliegen war mir nicht bekannt.


    Solche Schneckenarten, die Löcher in das Gestein bohren gibt es auch heute noch. In Istrien kann man an der Küste z. B. bei Liznjan solche perforierten Kalkfelsen sehen.


    Danke für deinen Bericht.


    grüsse


    jürgen

  • In Istrien kann man an der Küste z. B. bei Liznjan solche perforierten Kalkfelsen sehen.

    Ach, das würde ich gerne sehen! Aber, Jürgen, ich begreife gar nicht, wie ihr in diesen Ländern zurecht kommt, deren Sprachen doch niemand gelernt hat. ?(

  • Ein herrlicher Geologie Unterricht. Es gibt nichts, was es nicht gibt.


    Wenn man sich vorher nicht erkundigt hat, und sich den Tafeln nähert, ist der Vergleich mit der Sportschau (siehst du die an?)


    und den Ball versenken folgerichtig.


    Diese erdgeschichtlichen HInweise sind teilweise höchst verblüffend.


    Haben wir doch bei uns in der Nähe von München, einen sogenannten Teufelsgraben der z.B. Rückschlüsse auf die Eiszeit birgt.


    httpss://de.wikipedia.org/wiki/Teufelsgraben


    Darauf habe ich auch in meinem Bericht Bezug genommen.


    Mangfallknie, Wanderung zu einer geologischen Besonderheit, Teil 2


    lieben Gruß
    Helmut

  • "


    Zitat von Nyra

    Ach, das würde ich gerne sehen! Aber, Jürgen, ich begreife gar nicht,
    wie ihr in diesen Ländern zurecht kommt, deren Sprachen doch niemand
    gelernt hat. "


    hallo Traudl,


    wenn ich dran denke, fotografier ich dir die Felsen in der nächsten Woche mal. Da bin ich zufällig wieder mal in Istrien. :)


    Was Sprachen angeht ist es in Kroatien an der Küste, dort wo es Tourismus gibt, recht einfach. Mit deutsch kommt man fast überall durch. Dazu kann ich ein paar Brocken kroatisch. Das freut dann immer die Einheimischen, weil es in der Regel dazu langt, auch abseits der Urlaubsregionen mal nach dem Weg zu fragen oder in einer Gaststätte was zu bestellen.


    In anderen Ländern helfen mir meine englisch-und französisch-Kenntnisse, die fürs Reisen ausreichend sind.


    grüsse


    jürgen


    PS: Warum klappt das eigentlich mit dem Zitieren von Beiträgen bei mir nicht? Ich klicke "zitieren" an und nichts geschieht! :(

  • Hallo Helmut,


    nein, die Sportschau sehe ich normalerweise nicht, aber diese Torwand ist eine so alte Einrichtung, daß man nicht umhin kommt, sie zu kennen. Mittlerweile gibt es ja auch "Nachahmungen" auf manchen Sport- oder anderen Festen, an denen sich Kinder und Erwachsene belustigen können.


    Dein Bericht über das Mangfallknie gefällt mir sehr!!! :) Für geologisch interessante Landschaften bin ich immer zu haben, obwohl ich eigentlich nichts davon verstehe und immer auf die Erklärungsschilder angewiesen bin ... :(


    Ich kenne diese Region viel zu wenig, etwas besser kenne ich das westliche Allgäu, das ja auch durch die Eiszeit geprägt ist. Eiszeitliche Reste trifft man aber auch in anderen Gegenden, wo wir Süddeutschen (ach, ich bin ja eigentlich gar keine Süddeutsche!) sie nicht erwarten. In Berlin (und Umgebung) gibt es z. B. viele kleine und größere Toteis-Seen (Sölle): Beim Zurückweichen der Eiszeitgletscher blieben Eisbrocken unter Schutt lange Zeit erhalten, tauten sehr langsam ab, der Boden darüber sank, und in den Senken bildeten sich abflußlose Seen. Ich habe in Berlin ganz nah bei so einem See gewohnt. Und natürlich die Findlinge - Steinblöcke, die von den Eiszeitgletschern durch die Gegend geschleppt wurden und schließlich irgendwo liegen blieben.

  • wenn ich dran denke, fotografier ich dir die Felsen in der nächsten Woche mal. Da bin ich zufällig wieder mal in Istrien

    Danke, Jürgen! Das wäre wirklich lieb!


    Was Sprachen angeht ist es in Kroatien an der Küste, dort wo es Tourismus gibt, recht einfach. Mit deutsch kommt man fast überall durch. Dazu kann ich ein paar Brocken kroatisch. Das freut dann immer die Einheimischen, weil es in der Regel dazu langt, auch abseits der Urlaubsregionen mal nach dem Weg zu fragen oder in einer Gaststätte was zu bestellen.


    In anderen Ländern helfen mir meine englisch-und französisch-Kenntnisse, die fürs Reisen ausreichend sind.

    Wenn man an der kroatischen Küste mit Deutsch durchkommt, sollte ich wirklich mal sehen, daß ich dahin komme. Ich habe in diesem Forum schon so viel Schönes aus dieser Gegend gesehen.


    Ich bin ein Sprachkrüppel. Mir fehlt da irgendeine Schraube im Gehirn: Ich kann englisch, französisch und niederländisch sehr gut, Italienisch so halbwegs lesen (ich übersetze zu meinem Privatvergnügen französische Fachbücher zu volkskundlichen Themen), aber ich verstehe kein gesprochenes Wort. Ich könnte beides sprechen, kann also nach dem Weg fragen, einen Kaffee oder ein Hotelzimmer bestellen oder was sonst so anfällt, aber wie sollte ich mir das antun, wenn darauf ein unverständlicher Wortschwall folgt? Also traue ich mich nirgends hin (außer früher, als ich an Deutschlands Westgrenze wohnte, nach Belgien oder Frankreich, weil das auf Tagesfahrten möglich war).


    PS: Warum klappt das eigentlich mit dem Zitieren von Beiträgen bei mir nicht? Ich klicke "zitieren" an und nichts geschieht!

    Verstehe ich nicht. Den Textausschnitt mit der Maus markieren, daß er blau erscheint, dann kommt von selbst darüber ein schwarzes zweigeteiltes Feld, beschriftet "Zitat speichern / Zitat einfügen". Beim Anklicken von "Zitat einfügen" öffnet sich automatisch ein Antwortfeld, oder das Zitat steht in dem Antwortfeld, in dem man schon arbeitet. Wenn es bei dir nicht so funktioniert, wird wohl Tom wieder mal helfen müssen.

  • Kleines Getier aus urzeitlichen Gewässern,
    so hast Du denTitel Deines Threads gewählt.


    Die Art der Präsentation, wie Du sie aus Ermingen vorstellst, gefällt mir!
    Es ist doch oft so, dass man an solch erdgeschichtlich interessanten Plätzen vorbeigeht und nichts sieht... wenn man nicht darauf aufmerksam gemacht wird ( oder selbst Spezialist ist)
    Du hast uns schon von Solnhofen erzählt. jetzt hier vom südlichen Albrand.... Du erwähnst Findlinge im norddeutschen Raum..
    Ist Geologie eines Deiner Hobbys?


    Ich mag solche Plätze auch, liebe es aber, fachkundige Führung zu haben.
    Wie z.B. an der Ostseeküste mit den riesigen Findlingen, aber auch den interssanten Fundstücken , die an der Kreideküste oft zu entdecken sind .
    Rügen: Hühnergötter, Katzengold, Donnerkeile und noch mehr


    Viele Grüße,


    Elke

  • Ist Geologie eines Deiner Hobbys?

    Es ist einfach nur das Fach, von dem ich am meisten bedauere, daß ich nix davon verstehe. Aber ich liebe solche Sachen, besser gesagt: solche Orte.


    Führungen hasse ich. Ich wüßte nicht, daß ich je von einer etwas profitiert hätte. Ich schaue mir alles genau an, und wenn es Erklärungsschilder gibt, lese und fotografiere ich sie. Zuhause arbeite ich mich per Internet und Buch in die Sache ein (was ich natürlich oft schon vorher getan habe, sonst hätte ich von dem Jeweiligen ja nichts gewußt und hätte es nicht angeschaut). Dann fahre ich meist nochmal hin und schaue es mit erweiterter Kenntnis und entsprechend verändertem Interesse nochmal an.


    Ich fotografiere Steine, und Steinbrüche begeistern mich (die verschiedenen Gesteine, die Schichtungen – nur daß ich, wie gesagt, nichts davon verstehe.) Ich glaube, mit dem Interesse für Steine bin ich schon auf die Welt gekommen. Bei jedem Sonntagsspaziergang habe ich meine Familie damit genervt, daß ich ständig am Boden hockte und irgendwelche Steine anguckte. Das große Erlebnis meiner frühen Kindertage war, als ich feststellte, daß der Sand in meinem Sandkasten aus winzigen Steinchen bestand ... ^^


    Ich habe mir mal eine Mineraliensammlung zusammengekauft; jede Mittagspause kam ich an so einem Laden vorbei, in dem nie Kunden waren, und entsprechend gern redete und erklärte der alte Inhaber ... Die Steine sind aber im Keller, ich habe in der Wohnung einfach keinen Platz mehr dafür. Ja, Pyrit (= Katzengold) habe ich auch. Lochsteine, Hühnergötter sind mir sehr selten begegnet, um so häufiger an einem früheren Urlaubsort auf der Alb die wunderbarsten kristallgefüllten Drusen.

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