HR: Liznjan - der alte Gutshof aus der KuK-Zeit

  • Nur wenigen Besuchern von Pula dürfte ja bekannt sein, daß diese Stadt bis Mitte des 19. Jahrhunderts ein kleines Dorf mit sumpfigem Umland war. Dann beschloß die KuK-Regierung in Wien, Istrien gehörte damals zur Donaumonarchie, hier ihren Hauptkriegshafen zu errichten. Für so einen Hafen benötigte man ja nicht nur die direkten Hafeninfrastruktur sondern zur damaligen Zeit auch einige Festungen im Umland, die ich euch ja schon teilweise vorgestellt habe.



    https://www.schoener-reisen.at/forum/showthread.php?4818-Pula-Fort-San-Giorgio-auf-dem-Monte-Ghiro-aus-österreichischer-Zeit&highlight=pula+festung


    https://www.schoener-reisen.at/forum/showthread.php?4108-HR-Sisan-die-österreichische-Festung-auf-dem-Monte-Madonna&highlight=pula+festung



    Zur Übersicht erst mal diese Landkarte. Der Campingplatz Kazela befindet sich ganz unten. Rechts davon sind die Ruinen eingezeichnet.





    Auf alle Fälle stieg innerhalb weniger Jahrzehnte die Einwohnerschaft Pulas von 500 auf zwanzigtausend Menschen. Ein Großteil davon war dem Militär zugehörig oder arbeitete für dieses. Eigentlich ganz logisch, daß all diese Menschen verpflegt werden mußten.


    Da die Südspitze Istriens klimatisch gegenüber dem Inland begünstigt ist und die Transportwege damals kurz gehalten werden sollten, schließlich gab es noch kaum Kühlmöglichkeiten, lag es nahe, den Großteil der Lebensmittel in unmittelbarer Nähe zu Pula zu produzieren.


    In Liznjan, etwa 10 km von Pula entfernt, stehen heute noch die Reste einer großen Landwirtschaft, die für die Verpflegung des österreichischen Militärs errichtet wurde. Bisher sah man nur einen Teil der Ruinen, weil Pinien und Gestrüpp das meiste überwuchert haben. Im Herbst 2014 jedoch wurde hier groß gerodet. Angeblich soll diese Aktion mit dem geplanten Golfplatz im Zusammenhang stehen. Wir werden sehen, was die Zukunft bringt.


    Doch nun zu den Gebäuderesten, die in exponierter Lage auf einer Anhöhe der Halbinsel Marlera stehen. Etwa eineinhalb Kilometer von Liznjan entfernt führt eine geteerte Straße an den Ruinen vorbei zu einem stillgelegten Kalksteinbruch. Aus welcher Zeit die Zypressenallee stammt kann ich euch nicht sagen. Links davon befinden sich zwei ehemalige Unterkunftsgebäude der Angestellten bzw. der Verwaltung.







    Hier das Hauptgebäude, ein ehemaliger Pferdestall. Rechts mit Treppe eine Zisterne.










    Die Bautafel weist auf die künftige Nutzung hin. Angeblich soll das Hauptgebäude in ein neu zu errichtendes Luxushotel integriert werden. Imposant wäre es auf alle Fälle. Ich glaube jedoch, da gehen noch ein paar Jahre ins Land.





    Blick vom Obergeschoß auf die Felder, die auch heute noch landwirtschaftlich genutzt werden. Meist werden hier verschiedene Kohlsorten, Tomaten oder Kartoffeln angebaut. Grundwasser ist anscheinend ausreichend vorhanden, weil in trockenen Sommern mittels einer Dieselpumpe Wasser gefördert und damit die Felder bewässert werden. Teilweise gibt es zwei Ernten pro Jahr. Ich schätze die hier damals genutzte Fläche der Austro-Ungarischen Armee auf vier bis fünf Quadratkilometer.





    Hinter dem bewaldeten Hügel befindet sich das ehemals von der Jugoslawischen Armee genutzte Gelände, welches heute teilweise brach liegt oder von den Bauern von Liznjan für Ackerbau und Weinbau genutzt wird.





    Auf dem Gelände stehen auch noch zwei solche Waschhäuser aus der Zeit des ehemaligen Jugoslawien der Tito-Zeit, die zu einem tschechischen Campingplatz gehörten. Dort durften die „Werktätigen der ehemaligen CSSR“ im Rahmen von Barter-Geschäften ihren Urlaub am Meer verbringen.





    Diese niedrigen Gebäude müssten ehemalige Schweineställe gewesen sein.









    Im Außenbereich sind solche seltsamen Gehege angebaut. Wozu?





    Hier das Areal vom Badegelände neben dem Campingplatz Kazela aus gesehen. Die Aufnahme wurde mit dem Teleobjektiv etwas herangezoomt.





    Wer sich für die KuK-Vergangenheit von Pula interessiert, dem darf ich das Buch „Festung Pola“ von Erwin Anton Grestenberger empfehlen. Leider ist dort jedoch dieser Nebenbetrieb nicht beschrieben. Deshalb war es nicht einfach, im Laufe der Jahre die wenigen Informationen zusammenzutragen um diesen kleinen Bericht zu erstellen. Als ich die damals noch eingewachsenen Ruinen vor ca. 15 Jahren das erste Mal sah, wußte ich nichts damit anzufangen. Erst nach und nach erschloß sich mir deren Bedeutung.


    Jürgen

  • Zunächst mal:
    Respekt , dass Du in Deiner Wahlheimat Istrien Dingen so auf den Grund gehst!
    Kriminalistische Feinarbeit - sie lenkt die Aufmerksamkeit auf Plätze, für die sich der "Normaltourist " weniger interessiert.:up:


    Wenn ich dieses doch recht verwahrloste Anwesen sehe, so überlege ich mir , was daraus werden könnte!!


    Ich verbringe derzeit ein paar Urlaubstage in der Toskana auf einem alten, wunderbar restaurierten Gutshof- zeitgemäß gerichtet und dennoch mit viel Geschmack dem Stil der Landschaft angepasst, - was Auswahl an Materialien ( Eichenholz, Kastanienholz, Terracottafliesen, Farben.....) und die Berücksichtigung vorhandener 300 Jahre alter Bausubstanz (Mauern, alte Eichenbalken, usw ) betrifft.


    Ich bin kein Architekt und habe auch keine Ahnung, was solch eine Restaurierung kostet. Wahrscheinlich Millionen.


    Aber wenn ich Deine Bilder,Jürgen, betrachte, so fände ich es jammerschade , wenn all das verfallen oder abgerissen würde.
    Da sehe ich Gebäude aus schönen Natursteinen auf einem Grundstück in Meeresnähe mit viel Platz rund herum und könnte mir vorstellen, was man draus machen könnte.


    Wenn-
    ja wenn vermutlich die Eigentümerfrage geklärt wäre und sich ein Investor fände, der nicht nur abreißen, sondern das Vorhandene zu einem Schmuckstück umbauen würde.


    Istrien rühmt sich manchmal, die "kleine Toskana" zu sein- sollen sie doch einmal hierher schauen, mit welchem Fingerspitzengefühl alte Gutshöfe, verlassenene Dörfer, Castelli wieder zum Leben erweckt werden.


    Natürlich: Billig wird das nicht - auch nicht in der anschließenden Nutzung.


    Lieben Gruß,
    Elke

  • hallo Elma,


    ich habe noch weitere Infos zur künftigen Nutzung des Areals und werde Euch diese demnächst noch mitteilen.


    grüsse


    jürgen

  • Hallo Elke,


    nun habe ich etwas Zeit um Dir bzw. Euch die mir bekannten Hintergründe zum geplanten Ausbau dieses Areals mitzuteilen. Vor etwa 10 Jahren wurde das erste mal in der Lokalzeitung Glas Istre berichtet, daß auf der Marlera-Halbinsel in unmittelbarer Nachbarschaft zum Campingplatz Kazela eine große Golfanlage errichtet werden soll. Wie üblich, fehlten dann bestimmte Genehmigungen, vor allem im Hinblick auf die Umweltgesetze. Mit im Team der Initiatoren war ein ehemaliger Fussballnationalspieler von Kroatien, der in Liznjan einen Wohnsitz unterhält. Offensichtlich war dieser Mensch, ob es ihn noch gibt, kann ich nicht sagen, wohlhabend und auch gut „vernetzt“.


    Die Gesamtinvestionssumme sollte annähernd 100 Millionen Euro umfassen. Geplant war, daß die Pferdeställe in das Haupthaus eines neu zu errichtenden Fünf-Sterne-Hotels integriert werden sollten. Ob hier Denkmalschutz besteht, ist mir nicht bekannt.


    Daneben sollten insgesamt 60 Villen mit Pool, ob zum Verkauf oder zur Vermietung gedacht, ist mir auch nicht bekannt, errichtet werden. Schließlich sollte ein 18-Loch-Golfplatz gebaut werden. Hier kommt nun das Abwasser der Touristen-Gemeinde Medulin ins Spiel. Die neue Abwasserleitung ging vor wenigen Wochen in Betrieb und führt genau durch dieses Gelände. Eine Kläranlage wurde bisher allerdings noch nicht gebaut, ist jedoch in Planung. Das geklärte Wasser sollte dann zur Bewässerung des Greens hergenommen werden.


    Da sich so eine Großbaustelle sicherlich über Jahre hinzieht, wäre es unbedingt erforderlich, daß Liznjan endlich die bereits seit Jahren geschotterte Umgehungsstraße am Fussballplatz vorbei bis zum Lokal Stari Ribar baut um den Bauverkehr zumindest teilweise aus dem Ort herauszuhalten. Hier gibt es offensichtlich jedoch noch ein Grundstücksproblem.


    Nun soll es laut der Lokalzeitung so sein, daß unbedingt mit dem Bau begonnen werden müsse, da ansonsten die Genehmigungen wegen Zeitablauf verfallen und mehrere Millionen in den Sand gesetzt sind. Ähnliches Baurecht besteht im übrigen auch in Deutschland. Vielleicht sind Investoren mittlerweile abgesprungen, vielleicht mangelt es auch an den finanzierenden Banken. Anscheinend sollen jedoch nun vorab einige Ferienhäuser zum Verkauf gebaut werden.


    Was den immer wieder in der Presse genannten Yachthafen in der Kuje-Bucht von Liznjan angeht, wird da wohl so schnell nichts passieren. Die Gemeinde wird in nächster Zeit den bestehenden Hafen ausbauen und Liegeplätze schaffen und verpachten. Daneben, im geographischen Sinne, soll der bestehende Strand ausgebaut und mit Kies aufgeschüttet werden. Ich persönlich finde dieses Uferstück zwar nicht ideal zum Baden, viele Urlauber und Einheimische sind jedoch anscheinend aufgrund der vorhandenen mittlerweile fünf Imbißbuden anderer Meinung.


    Zusammenfassend stand schon so oft in der Lokalzeitung, daß der Baubeginn der Golfanlage unmittelbar bevorsteht, daß ich skeptisch bin, was da geschrieben steht. Ich halte euch auf dem Laufenden, wenn sich was tut. Vielleicht fange ich ja auch Golf spielen an. Das Alter dazu hätte ich langsam…:461:


    Jürgen

  • Danke, Jürgen-
    das sieht gar nicht gut aus, finde ich.
    Es scheint mir ein ganzheitliches Konzept zu fehlen und der Wille ( und die finanziellen Voraussetzungen) etwas zu schaffen, was die Region voran bringt.


    Wenn ich das lese

    Zitat

    Anscheinend sollen jedoch nun vorab einige Ferienhäuser zum Verkauf gebaut werden.


    so werden damit dieselben Fehler gemacht , wie sie an vielen attraktiven Plätzen Kroatiens ( auch in MNE) gemacht wurden.
    Nichts gegen Ferienhäuser und deren Besitzer. Ich bin nicht neidisch, möchte kein solches besitzen.


    Wer jedoch außerhalb der Saison durchs Land fährt, sieht, dass solche Ferienhaussiedlungen toten Siedlungen gleichen.
    Hier z.B. in Povljana auf der Insel Pag im Monat Februar:


    eine für mich abschreckende Neubau- Geistersiedlung



    Fensterläden zu, Türen verrammelt, die Straßen leer... und das nicht nur 1 Haus , sondern ganze Straßenzüge.
    Einfach trostlos.
    Ähnliches ist mir im Januar auch schon in Istrien und an der Makarskariviera aufgefallen.


    Solche Siedlungen sind vermutlich maximal 6 Monate im Jahr bewohnt.
    Das Problem für relativ kleine Orte wie Povljana u.a. ( z.B.auch Zabljak in Montenegro) ist ja, dass die Infrastrukur auch in der "restlichen" Zeit aufrecht erhalten werden muss. ( Strom ,Wasser, usw, Kläranlagen - sofern vorhanden- müssen so dimensioniert sein, dass sie auch im Sommer reichen...usw)


    Ich würde der Gemeinde Liznjan wünschen, dass dort mit diesem attraktiven Grundstück und mit den noch erhaltenswerten Gebäuden etwas geschaffen würde, was Gäste das ganze Jahr über ( oder mindestens 11 Monate im Jahr) anlockt. Das erfordert sicher ( neben einem finanzkräftigen und ideenreichen Investor) auch etwas Weitsicht der Kommune.


    Gruß,
    Elke

  • hallo Elke,


    ich bin ehrlich gesagt recht zuversichtlich, was die geplante Bebauung mit Ferienhäusern anbelangt. Anders als auf Vir oder Pag sollen das hier Luxushäuser mit jeweils einem eigenen Pool und Zugang zum Green werden. Wenn der Golfplatz tatsächlich gebaut wird, handelt es sich um ein Ganzjahresdomizil. Golf spielen kann man hier auch im Winter, wenn einen nicht gerade die Bora ins Meer weht. Vor Jahren sah ich mal einen Plan, wie das ganze ausschauen soll und war beeindruckt. Platz ist ja jede Menge vorhanden. Wenn dazu noch die Ruinen aufgebaut und in die Bebauung integriert wird, könnte das Ensemble recht ansehnlich werden. Warten wir einfach ab...


    grüsse


    jürgen

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